Book/Report FZJ-2017-06174

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Zur Stereochemie der heißen homolytischen Cl-Substitution durch Rückstoßchlor in diastereomeren Halogenalkanen



1972
Kernforschungsanlage Jülich, Verlag Jülich

Jülich : Kernforschungsanlage Jülich, Verlag, Berichte der Kernforschungsanlage Jülich 873, 90 p. ()

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Report No.: Juel-0873-NC

Abstract: Zur Aufklärung des Mechanismus der heißen, homolytischen Substitution von Halogen durch Rückstoßhalogen wurde der stereochemische Verlauf dieser Reaktion an diastereomeren Halogenalkanen, insbesondere für Rückstoß-$^{38}Cl$ in rac. und meso 2,3-Dichlorbutan, threo und erythro 2-Chlor-3-fluorbutan sowie rac. und meso 1,2-Dichlor-1,2-difluoräthan untersucht. Die Auftrennungund quantitative Bestimmung der $^{38}Cl$ (T = 37,3 min)-markierten diastereomeren Substitutionsprodukte konnte mit Hilfe schneller gaschromatographischer Methoden in Verbindung mit einer diskontinuierlichen Radioaktivitätsmessung erreicht werden.Im Hinblick auf einen möglichen Konformationseffekt wurde die Cl-Substitution durch $^{38}Cl$ an rac. und meso 2,3-Dichlorbutanin Lösungsmitteln verschiedener Dielektrizitätskonstanten untersucht. Es konnte gezeigt werden, daß der stereochemische Verlauf der Reaktion je nach Art und Menge des Lösungsmittels in einem weiten Bereich (35 bis 85 % Erhaltung der Konfiguration) beeinflußt werden kann. Die kinetische Auswertung von vergleichenden IR-spektroskopischen Konformationsanalysen und radiochemischen Ausbeutebestimmungen ergab, daß die einzelnen Konformeren sehr unterschiedliche relative Reaktionsquerschnitte für die beiden stereochemischen Wege der Substitution besitzen. Um Aufschlüsse über eine mögliche Beteiligung zweistufiger, thermischer Radikalkombinationsreaktionen an der Bildung des Substitutionsproduktes zu erhalten, wurden Radikalfänger-, Moderator-, Temperatur- und Masseneffekte untersucht. Mit Hilfe von Argon-Moderatorexperimenten konnte am threo 2-Chlor- 3-fluorbutan-System bei der Cl-und F-Substitution durch $^{38}Cl$ gezeigt werden, daß die vorwiegend unter Konfigurationserhaltung verlaufende Substitution in der Gasphase ausschließlich über heiße, einstufige Prozesse erfolgt. Auch in der flüssigen Phase konnten thermisch-diffusive Radikalreaktionen aufgrund von $J_{2}$-Radikalfängerexperimenten ausgeschlossen werden. Für thermische Fluor- und Chloratome erwiesen sich die Halogenalkane infolge der schnellen H-Abstraktion als selbstfangende Systeme, so daß auch eine Beteiligung razemisierender KäfigRadikalkombinationsreaktionen unwahrscheinlich ist. In Übereinstimmung hiermit konnte in reinem rac. 2,3-Dichlorbutan beobachtet werden, daß die Substitution von Chlor durch $^{18}F$ innerhalb der Fehlergrenzen den gleichen stereochemischen (Retention/Inversion = 3,0) zeigt, wie die von Chlor durch $^{38}Cl$ (Retention/Inversion= 2,9). Erst für Rückstoß-$^{80m}Br$ und -$^{126}I$ wird das Verhältnis kleiner (1,4 bzw. 1,2). Gegen eine signifikante Beteiligung von Käfig-Rekombinationsreaktionen im Falle des $^{38}Cl$ spricht auch das Fehlen von Temperatur- und Viskositätseffekten. In Übereinstimmung mit dem Konformationseffekt, der ein Kriterium für eine einstufige Reaktion darstellt, sollte es sich deshalb bei der heißen, homolytischen $^{38}Cl$ für Cl-Substitution auch in der flüssigen Phase um einstufige Prozesse handeln, die hier sowohl unter Retention als auch - entgegen bisheriger Annahmen - unter Inversion der Konfiguration verlaufen können. Durch Gasphasenuntersuchungen am rac. 1,2-Dichlor-1,2-difluoräthan-System konnte weiterhin gezeigt werden, daß die Ausbeuten des unter Retention und Inversion gebildeten Produktes der Cl-Substitution durch $^{38}Cl$ eine deutlich unterschiedliche Druckabhängigkeitaufweisen. Die in der Gasphase sehr kleinen Ausbeuten des Inversionsproduktes bleiben über den gesamten untersuchten Druckbereich (50 bis 15565 torr) konstant und steigen erst beim Übergang in die flüssige Phase drastisch um einen Faktor 20 an. Die Ausbeuten des retendierten Produktes dagegen nehmen bereits in der Gasphase oberhalb etwa 1000 torr merklich zu und steigen beim Übergang in die flüssige Phase weiter um einen Faktor 2,4 an. Die Ergebnisse zeigen, daß die vorwiegend geometrisch physikalischen Vorstellungen des Wolfgang'schen Stoßmodells zumindest für die flüssige Phase nicht auf die heiße, homolytische Cl-Substitution ($S_{HH}2$) durch $^{38}Cl$ anwendbar sind, vielmehr muß angenommen werden, daß es zur Bildung eines Stoßkomplexes kommt, dessen Lebensdauer lang ist im Vergleich zu molekularen Relaxationszeiten. Die Substitution unter Retention sollte hierbei über einen einer Dreizentrenbindung entsprechenden Komplex erfolgen» dessen Lebensdauer in der Gasphase bereits ausreichend groß ist, um eine Produktbildung zu ermöglichen. Die Substitution unter Inversion sollte über eine trigonal-bipyramidaleStruktur verlaufen. Sie ist nahezu ausschließlich auf die kondensierte Phase beschränkt, da offenbar erst unter diesen Bedingungeneine derartige Komplexbildung ermöglicht wird. Auf der Basis dieser Modellvorstellungen werden auch die in neueren Arbeiten beobachteten Einflüsse chemischer Faktoren wie Bindungsenergie, Elektronendichte und Elektronegativität sowie die Bildung stark angeregter Produktmoleküle bei der heißen, homolytischen Substitution verständlich.


Contributing Institute(s):
  1. Publikationen vor 2000 (PRE-2000)
Research Program(s):
  1. 899 - ohne Topic (POF3-899) (POF3-899)

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 Record created 2017-08-29, last modified 2021-01-29